Das Bild als Textgewebe. Cézanne und das Ende der wissenschaftlichen Perspektive

Wie Hofmannsthal geht es Cézanne um eine Thematisierung von visueller Wahrnehmung, doch sein Medium zur Sichtbarmachung von Zeichenprozessen ist nicht die Schrift, sondern das Bild. Sein Spätwerk zeugt vom iconic turn und einem neuen Bildbewusstsein, wie an den Bildern La Montaigne Sainte-Victoire (1900-1902) und Baigneuses (1903) beispielhaft deutlich gemacht werden kann. Am augenfälligsten ist wohl, dass sich in ihnen kein cartesianisch-zentralperspektivischer Raum mehr öffnet, denn, so Boehm, an „Cézannes Spätwerk scheitert der Versuch, die Wahrnehmung mittels Sehbahnen zu erörtern, die idealiter konstruierbar, den abstrakten Augenpunkt mit dem bildregierenden Fluchtpunkt verbindet“. Gleichwohl erzeugen Cézannes Bilder durch farbliche und formale Differenzen Flächen unterschiedlicher Höhen- und Tiefenwirkung, die jedoch durch ein Flechtwerk aus den Ebenen gemeinsamen Elementen immer wieder in Frage gestellt werden. Sie verweisen mit dieser bildtechnischen Ambivalenz auf die mediale Simulation von Vorstellungsbildern.

Auf dem Bild La Montaigne Sainte-Victoire modelliert Cézanne aus einem Geflecht immer wieder neu ansetzender Pinselstriche, die eine klare Konturierung von Gegenständlichkeit vermeiden, das Geäst eines sich verzweigenden Baumes, der sich aus der unteren linken Bildecke in das Bild erstreckt. Zugleich verwendet er den sich verästelnden, unscharfe Konturen erzeugenden Pinselstrich jedoch auch für ein Bildobjekt im Vordergrund, das mit seiner transparenten teils hellgrünen, teils tellurisch-ockerfarbenen Erscheinung an eine mit wild wachsendem Gesträuch bedeckte, zerfurchte Bodenerhebung erinnert. Auch durch das in ähnlichen Farbtönen gehaltene Ackerland im Mittelgrund ziehen sich solcherart unscharfe, konkave Linien, die in Anlehnung an eine Perspektivlinie bildliche Tiefe suggerieren, Bodensenken bedeuten oder die Idee von das Ackerland durchziehenden Wegen oder Hecken evozieren. Ferner findet sich eine ähnliche Pinselführung am linken Hang der Montaigne und in den ihr vorgelagerten Erhebungen.

Die Irritation bei der Bildbetrachtung rührt daher, dass die genannten Flechtwerke unscharfer Konturen mit der gleichen Berechtigung auch zum Geäst des Baumes zu rechnen sind, der in einem paradoxen Gewebe Bildvordergrund, Mittelgrund und Hintergrund umklammert. Verantwortlich für die Unentscheidbarkeit der Referenz ist neben dem abstrahierenden Einsatz von Farbflecken, die nur noch bedingt den Konturen und gegenständlichen Lokalfarben folgen, die Auflösung der Linie. Ähnlich wie bei der Aufweichung der Linearität der Schrift, wie sie in Mallarmés Un Coup de Dés zu beobachten ist, kann auch die Aufhebung der Linie in der Malerei zu einer Potenzierung von Bedeutung führen, wo die Kopplung an unterschiedliche anschlussfähige Umgebungen möglich ist. Im Übrigen basiert auch die Zentralperspektive über den linearen Sehstrahl auf einer Festschreibung von Eindeutigkeit in einem mathematisch beschreibbaren Ordnungsraum. Mit seiner zweifachen Absage an eine Bildlinearität läutet Cézanne, zu diesem Schluss kommt der Kunsthistoriker Fritz Novotny in seiner gleichnamigen Habilitationschrift (1970), das Ende der wissenschaftlichen Perspektive in der Malerei ein.

Trotzdem ist es, so beobachtet Gertrude Bertold, bis zu seinem Tod Cézannes Bestreben, einen Ordnungsraum zu entwerfen, um eine „verloren gegangene Einheit“ – auch eine Einheit von Mensch und Natur – in „einem Ganzen“ zu restituieren. Dass diese Einheit nicht, wie Boehm betont, in der Abbildung einer Naturschönheit bzw. -ordnung liegt, obwohl Cézanne dafür bekannt ist, immer wieder sur le motif, vor der Natur, zu malen, wird aus den vorhergehenden Überlegungen ersichtlich. Insofern unterscheidet er sich auch von den Impressionisten, die gleichwohl einen gewissen Einfluss auf ihn ausüben. Wie den Impressionisten geht es Cézanne um die Darstellung von Lichtverhältnissen. Doch verfolgt er dabei keine Wiedergabe von Wirklichkeit, die mittels kurzer vielfarbiger Pinselstriche und einer Verwischung von Konturen die Atmosphäre eines Ortes in einem ‚Flirren’ der Farbe zu unterschiedlichen Tageszeiten oder Witterungsbedingungen einfängt. („[D]ie Farb- und Eindruckskunst der Impressionisten […] blieben doch immer noch prinzipiell an das Naturvorbild gebunden“, beschreibt Carsten-Peter Warncke den impressionistischen Stil.)

Cézanne verwendet in seinen Ölbildern flächige Farbflecken, so genannte taches, die er kontrastieren lässt. Durch das Nebeneinander verschiedenfarbiger Farbflecken, die in ihrer formhaltigen Differenz ein Klangfeld von Farbe bilden, ist er in der Lage, Gegenständlichkeit aus den Farbkontrastflächen heraus anzudeuten, ohne dass die Farbe den wirklichen Lokalfarben oder Formen folgt. Ein bedeutender Raum wird geöffnet, der jedoch nur unzureichend bezeichnet, stammelnd zur Referenz ansetzt, ohne dabei an eine real anmutende Simulation von Wirklichkeit zu reichen. Was Cézanne herausbildet, sind kompositorisch in ihrer Form und Farbe eng verzahnte, in sich geschlossene ästhetische Räume mit einem offenen Bedeutungshorizont.

In La Montaigne Sainte-Victoire zieht sich ein horizontales, dunkel gehaltenes Farbklangband durch das Ocker der Ackerflächen, mit denen es kontrastiert. Es erinnert mit seinen verschwimmenden Farbflächen an die Tiefe erzeugende spiegelnde Oberfläche eines Sees, ohne doch einen See darzustellen, auch ohne, dass etwas da wäre, was in solch vielfarbigen Tönen gespiegelt werden könnte. So steht dieses perspektivlose Farbband, das dazu neigt, in die Planfläche der Leinwand zu verflachen, zugleich aber (durch die Vertikalschraffur der Pinselstriche im Kontrast zu der Horizontalführung des Bandes) einen Tiefenraum öffnet, für sich, und greift doch genau jene Farben auf, die Cézanne für den Hintergrund verwendet. Hintergrund und Farbband verbinden sich farbkompositorisch miteinander.

Formal notwendig für das Bild ist die wie unfertig wirkende linke beige-ockerfarbene Leinwandbegrenzung, aus deren unterem Teil das Flechtwerk des wurzellosen Baumes entwächst. Sie ist zusammen mit der ‚strauchbedeckten’ Bodenerhebung im Vordergrund Teil eines winkelförmigen ‚Halbfensters’, das durch das Geäst des Baumes den Blick auf den grau-blauen Himmel und die Montaigne im Hintergrund sowie die Ackerfläche im Mittelgrund freigibt. Ohne diesen Rahmen würde die raffinierte Schichtung von Bildlayern eines der Elemente beraubt, die das komplexe Arrangement von Bildebenen aufbauen, das von der paradoxalen Verklammerung des Baumes konterkariert wird, der die Ebenen zur Einheit zurückzwingt. Durch das ‚Halbfenster’ wird also der artifizielle Kunstraum sichtbar, von dem es selbst Teil und mit dem es unentflechtbar verbunden ist.

Eine ähnlich faszinierende Bildgestaltung verfolgt Cézanne in seinem Aquarell Baigneuses, Teil einer Serie unzähliger Bilder mit dem Sujet Badender, mit dem Cézanne sich seit den 70er Jahren immer wieder beschäftigt. Aufgrund der Aquarelltechnik, die die Farbe zerfließen lässt, sind bei diesem Bild die für Cézanne so charakteristischen taches oder der, wie Betraum Schmidt es nennt, „konstruktive[] Pinselstrich“, mit denen er sonst Gegenständlichkeit modelliert, nicht zu finden. Dafür fällt hier die Aufhebung der Konturlinien anhand der Figuren umso deutlicher ins Auge. Die Badenden wirken so – anders als in den Bildern, in denen er sie rigide tektonisch in die Bildarchitektur einbaut – lebendig und in Bewegung. Sie lassen sich in ihrer Erscheinung genauso wenig stillstellen wir ihre Aktion. Der Betrachter des Bildes bleibt dabei von der Figurenhandlung ausgeschlossen, denn die bedeutenden Gesten geben das Rätsel ihres Begehrens nicht Preis und steigern auf diese Weise nur jenes des Betrachters, dem Treiben eine Ursache und einen Sinn zu geben, sie symbolisch oder narrativ zu entschlüsseln.

Die Hermetik der Darstellung, das referenzlose Verweisen der Bilder Cézannes lässt sich bereits in seiner romantischen Frühphase finden, zieht sich durch sein gesamtes Schaffen und wird besonders anhand der individuellen Gestik in seinen Figurenbildern evident. Trotzdem werden immer wieder – auch in der jüngeren Forschung – Versuche unternommen, ‚die Symbolik’ in Cézannes Werken zu entschlüsseln.

Solche Versuche machen in ihrem Scheitern zweierlei deutlich: wie inakzeptabel es für den homo semanticus noch immer ist, semiotische Offenheit dort zuzulassen, wo offensichtlich keine eindeutige Bedeutung zu finden ist, und – viel wichtiger – dass es Cézanne augenscheinlich nicht darum geht, Transparenz von Repräsentation herzustellen, sondern um ihre Verschleierung, oder, dass Cézanne die bildinterne Komposition, die Bezüge von Farbe und Form zueinander, viel wichtiger ist, als eine an Wirklichkeit angepasste Bildaussage. Was Cézanne wie kein anderer als erster reflektierend malt, sind die medialen Bedingungen und Mittel, mit denen die Malerei ihre Darstellungsabsicht verfolgt.

Mit dem Blick auf die Gruppe Badender, die Baigneuses, wird ersichtlich, dass Cézanne hier deutlicher als in vielen anderen seiner Bilder mit der Sichtbarkeit des Papiers experimentiert und dem Betrachter vorführt, wie das Weiß des Malgrundes, also das (quasi) leere Blatt, durch die Differenz seiner Umgebung sowohl voluminös-hervortretende Körper als auch lichte, zurücktretende Bildtiefe simulieren kann. Denn vor dem Hintergrund des Bildtiefe erzeugenden Blau-Grüns treten die Körper der Badenden plastisch hervor, wie Boehm in seinem Aufsatz zu dem Bild (Ein Paradies aus Malerei, 1989) beobachtet:

„Zu den erstaunlichsten Erfahrungen, welche die Aquarelle Cézannes Malerei hinzufügen, gehört die Erschaffung menschlicher Figuren durch ein Verfahren der Aussparung. Sie erscheinen dabei aber nicht wie ausgeschnittene Formen, sondern wie Volumen. Licht wird Figur, Licht verkörpert sich, ohne doch etwas anderes zu werden als Licht. Es wird Ding und ist doch nichts als leeres Papier, das die Kunst der Flecken zum Leben erweckte. Für die anschauliche, bildkünstlerische Deutung des menschlichen Körpers sind dies höchst bemerkenswerte Vorgänge. Nicht nur, daß Körper von der Antike bis ins 19. Jahrhundert etwas Gebautes waren, welches ein Rückgrat und eine innere Raison der Organisation besaß, sondern auch etwas, das sich im Licht zeigt, d.h. in der rechten Weise beleuchtet ist. Jetzt präsentieren sich die Körper selbst als Licht, ohne an ihrer Plastizität, an Volumen und an Plausibilität des Erscheinens Einbußen zu erleiden.“

Anders als bei den Figuren verwendet Cézanne für die Zurücksetzung des Weiß im Hintergrund nicht einen Farbkontrast gegenüber der, wie Heimann in Picassos Kubismus und die Ironie (1998) schreibt, „Farbe Blau mit ihrem entfernten Farbort“, sondern Mittel der Form, die bereits anhand von La Montaigne Sainte-Victoire im Zusammenhang mit dem Begriff des Bildlayers Erwähnung fanden. Nahezu in der Mitte wird das Bild durch ikonische Kontraste horizontal in zwei Hälften geteilt, und diese Waagerechte wirkt gleichzeitig als Horizontlinie. Das auf sie gesetzte blau-grün changierende Farbdreieck wird – wenn auch verschwommen – von vertikal angeordneten Pinselstrichen konstruiert, das, mit der Horizontalen kontrastierend, eine ‚Wand’ realisiert, die sich im Bildmittelgrund erhebt. Mit einem an sie anschließenden Viertelkreissegment und der Horizontlinie bildet sich ein Rahmen, der einen Durchblick auf das Weiß des Bildhintergrundes gestattet, der sich in seiner Ungegenständlichkeit rätselhaft einer Bedeutung entzieht. Er wird zur Projektionsfläche, die mit den zwei in Rückenansicht dargestellten Figuren, einer stehenden und einer sitzenden, insofern eine Verbindung eingeht, als dass sie auf sie zu blicken scheinen. Durch ihre Rückenansicht werden die Figuren zu Identifikationsfiguren des Bildbetrachters, der nun seinerseits durch das sich auftuende Fenster auf das Weiß des Hintergrundes starrt. Das grün-blau changierende Dreieck des mittleren layers fungiert nicht nur als vertikal aufgerichtete Wand und Fensterrahmen, sondern auch als energetisches Feld, das Figuren und Bild zusätzlich belebt.

Die stehende Figur ist als Bildvertikale im Kontrast zu der unteren Bildbegrenzung ebenfalls an der Aufrichtung einer Bildebene, der der Figuren, beteiligt, so dass man wiederum mit Bezug auf den Bildvorder-, Mittel- und Hintergrund von drei layern sprechen kann, die in diesem Aquarell übereinander gelegt werden und so Raumtiefe erzeugen. Boehm konstatiert diesbezüglich: „Tiefe meint […] eine plastisch-räumliche Qualität, die nichts Perspektivisches definiert, sondern jenes Wechselspiel, welches die vorgegenständlichen Indikatoren mit dem Auge des Betrachters eingehen. Erst in ihm ‚realisiert’ sich die Darstellung.“

In Cézannes Bildern lässt sich eine einheitliche, geordnete Lichtführung nicht mehr ausmachen, schon allein deshalb nicht, weil die Bildobjekte aus sich heraus leuchten, selbst Licht sind (das unterscheidet seine Bilder ebenfalls von klassischen Bildern und denen der Impressionisten). Häufig wurde deshalb ihr metaphysischer Charakter betont, den man auch hier aufgrund der ‚transparenten’ Darstellung der farblich ausgesparten und somit enthobenen Figuren sowie des transluzide leuchtenden Hintergrundes, bzw. eines Ortes ‚hinter dem Bild’, in Anschlag bringen könnte. Auch die enge formale Beziehung der Bildelemente aufeinander, die zur Einheit verbundene Seinsform der Dinge, ließe sich, wie auch Badt es mit Blick auf das Spätwerk Cézannes vorschlägt, metaphysisch deuten. Zu wenig wird dabei allerdings beachtet, dass das Metaphysische, das Wesen der Figuren, beispielsweise in Baigneuses, allein die leere, nackte Existenz des Papiers und ‚ein bisschen Farbe’ ist, der solch eine Bedeutung zugeschrieben wird. Ist es doch gerade die Qualität der Bilder Cézannes, speziell von Baigneuses, dass sie so anschaulich und selbstreferentiell auf ihre Materialität hinweisen, auf die vielleicht triviale Tatsache, dass sich hinter dem von Alberti u.a. als „geöffnetes Fenster“ konzeptionalisierten Bild nichts anderes verbirgt als das Papier, die Leinwand, der Stein usf., bedeckt mit einer differentiellen Anordnung von Farbpigmenten. Baigneuses zeigt als vergleichsweise ‚einfaches’ Bild, wie durchdacht in Farb- und Formgebung Cézannes Bilder auftreten und wie wenig dabei eine Referenz auf eine dem Bild vorgängige Realität zum Tragen kommt.

Anhand von La Montaigne Sainte-Victoire, Baigneuses und anderen Figurenbildern, wie beispielsweise Grandes Baigneuses (1900-1906, Abb. 2), bei dem die Figuren in erster Linie formale Gegenstände der Bildkomposition sind und nicht agierende Personen, wird flagrant, dass Cézanne seine Bilder aus sich selbst heraus baut und es ihm nicht in erste Linie um die Darstellung von Landschaft und Figuren geht, sondern um eine Fügung des ästhetischen Raums, den er in selbstreferentieller Weise sprechen lässt. Boehm notiert:

„Cézanne geht es gleichermaßen um Sichtbarmachung und um Anblicken. Er bestätigt den menschlichen Erfahrungsumgang mit der Wirklichkeit und überbietet ihn zur gleichen Zeit durch ein Sehen, das imstande ist, alles wie zum ersten Male zu zeigen. Das Bild ist Grund einer Einsicht, die es ausschließlich aus sich selbst schöpft. Der Maler übersetzt deshalb keine innere Vorstellung ins Äußere der Farben, projiziert sie nicht auf den Schirm der Leinwand, sondern er arbeitet zwischen den Flecken, Linien und Formen, richtet sie ein, baut sie um, ist so sehr Auktor wie Medium seines Tuns. Merleau-Ponty hat diesbezüglich vom Geflecht oder dem Wurzelwerk des Sichtbaren gesprochen als der eigentlichen Arbeitsebene des Malers.“

Für Cézanne ist es der malerische Raum, der eine, so Badt, „höhere Geborgenheit“ und Ordnung gewährt. Charakteristisch für ihn sind die Aufhebung der am linearen Sehstrahl orientierten Zentralperspektive, die Verschränkung von Perspektiven sowie die Sichtbarkeit des ästhetischen Raums durch Aufbrechen der traditionell farblich geschlossenen Farbdecke, resp. die Einbeziehung des Malgrundes als bildkonstituierendes Mittel. Hinzu kommt das bewusste Experimentieren mit ikonischen Differenzen, die Konfrontation von taches verschiedener Farbgebung zur Formmodellierung und als Mittel zur Modulation von Farbklängen. Seine Bilder öffnen Räume, die durch ihre innere Komposition ein Gewebe von Beziehungen flechten, mit denen Farbflächen und Formen untereinander selbstreferentiell sich aufeinander beziehen. Das wiedererkennende Sehen wird durch ein formales Sehen zurückgedrängt. Eine mimetische Naturnachbildung im Sinne der imitatio ist für Cézanne deshalb sekundär; primär ist das Verhältnisspiel der ästhetischen Mittel. Die Referenz auf Welt wird somit gestört, womit sich das Bild als eigenständiger, sich selbst genügender Raum produziert. Durch Aufhebung von Konturlinien werden Farb- und Formelemente an unterschiedliche Umgebungen anschlussfähig und lassen Cézannes Bilder nicht statisch erscheinen, sondern halten sie aus dem Material heraus in Bewegung. Häufig sind die Gesichter der Badenden ausdruckslos, lassen sich keiner Stimmung zuschreiben, was sie genauso zur Projektionsfläche des Betrachters macht, wie die vom Rezipienten abgewandten Figuren, die ähnlich wie in den Bildern Caspar David Friedrichs eine Identifikation erlauben, ohne, dass dadurch jener Eindruck von Distanz, die Rätselhaftigkeit, die seinen Bildern eignet, aufgehoben würde. Cézannes Bilder sind ihre eigene Welt. Ihre Lektüre bedeutet und verweist im innerbildlichen Raum.

Der Text als Gewebe, der rapport der einzelnen Elemente untereinander, die ausgestellte Generierung von Sinn, damit ist Barthes’ Textbegriff beschrieben. Cézannes Arbeit leistet Widerstand gegen den im Barthes’schen Sinne lesbaren Text, ist selbst ein schreibbarer Text.